Grundlagen zum Kammfiltereffekt (und wie man ihn vermeidet)
Was ist Kammfilterung?
Kammfilterung tritt auf, wenn Schall mit sich selbst innerhalb kurzer Zeitabstände überlagert wird. Dieses Intervall liegt üblicherweise im Bereich von weniger als 1 ms bis etwa 25 ms. Kammfilterung kann auf zwei Arten auftreten:
- Durch Reflexion
- Weil mehr als ein Mikrofon an ist und das identische Signal von verschiedenen Positionen erfassen.
Darüber hinaus dürfen die Signale nicht mehr als 10 dB voneinander differieren. Das Phänomen nennt sich Kammfilter, da sich dieser Effekt wie ein Filter mit einem Frequenzgang wie ein Haarkamm verhält.
Diese Kurve zeigt das Filter-Ergebnis von Direktschall und einem überlagerten verzögerten Schall. Die Filterfunktion könnte das Ergebnis einer einzelnen Reflexion sein, die von einem Mikrofon aufgezeichnet wurde, oder das Ergebnis einer Addition der Signale zweier Mikrofone, die 0,6 m voneinander entfernt stehen.
Kammfilterung durch Reflexion
Schall wird von harten Oberflächen wie dem Boden, einer Wand oder einem Fenster reflektiert - oder auch einer Wasseroberfläche.
Bei der Einrichtung einer Aufnahme ist es wichtig, nach reflektierenden Oberflächen in der Nähe des Mikrofons Ausschau zu halten. Selbst ein Musikinstrument wie ein Piano, ein Cello, ein Kontrabass, eine Kickdrum, etc., das Du aufnehmen möchtest, kann als Reflektor agieren. Darüber hinaus können Lautsprechergehäuse und Verstärker Kammfilter-Probleme verursachen.
Die Wahl von direktionalen Mikrofonen kann Abhilfe schaffen, aber Du solltest immer eine bessere Positionierung als Lösung bevorzugen.
Beim Filmton kann es problematisch sein, ein Gespräch zwischen Menschen aufzuzeichnen, die vor einem Fenster sitzen - sei es in einem Raum, einem Auto oder einer anderen Umgebung.
Reflexionen von nahegelegenen Oberflächen verursachen Kammfilterung.
In Situationen, in denen Du beispielsweise den Frequenzgang eines Beschallungssystems ermittelst, wirst Du ebenfalls auf Kammfilter-Probleme stoßen. Dir mag bekannt sein, dass es sich in einer leeren Halle, wenn Rosa Rauschen über die Anlage eingespielt wird, beim Laufen über den leeren Boden vom hinteren zum vorderen Ende der Halle mehr oder weniger so anhört wie ein Düsenflugzeug, das gerade abhebt. (Das Problem verschwindet, sobald das Publikum die Halle füllt).
Oben: Das Mikrofon zeigt mit dem "tauben Ende" auf die Schallquelle und nru ein kleiner Schallanteil wird aufgenommen (Off-Axis).
Unten: Eine reflektierende Oberfläche lässt den Schall in das empfindliche Ende des Mikrofons zurückspringen (On-Axis).
Rosa Rauschen von einem Lautsprecher wird von einem 4011 Nierenmikrofon über die Rückseite aufgenommen. Dann wird ein Gitarrenkorpus vor das Mikrofon gestellt, gegenüber der Schallfeldausbreitung. Jetzt wird der Schall zurück in das Mikrofon reflektiert. Dies wird zwei Mal durchgeführt. Der Abstand zwischen Lautspreche rund Mikrofon beträgt 1,5 m. Der Abstand zwischen Gitarrenkorpus und Mikrofon beträgt 10 cm.
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Die gleiche Ausführung wie oben mit dem Unterschied, dass der Gitarrenkorpus vor dem Mikrofon nun einen Reflexionswinkel von 45° aufweist in Relation zur Schallfeldausbreitung.
Kammfilterung hervorgerufen durch mehrere aktive Mikrofone
Die andere Möglichkeit, Kammfilter hervorzurufen, ist durch mehr als ein zeitgleich aktives Mikrofon. In einem Sprecherstudio klingt das Mikrofon des Moderators oder der Moderatorin manchmal etwas dumpf, während das Mikrofon des interviewten Gasts viel sauberer klingt. Warum? Der/Die Moderator*in spricht laut, also ist das Mikrofon meist etwas heruntergeregelt. Der Gast spricht womöglich etwas leiser, also muss das Mikrofon aufgedreht werden. Also wird die Stimme des Moderators bzw. der Moderatorin von zwei Mikrofonen aufgenommen, die einen kleinen Abstand zueinander haben. Der Gast wird tatsächlich nur von dem nahesten Mikrofon aufgenommen, da das andere Mikrofon nicht nur weiter entfernt ist sondern auch noch heruntergeregelt.
Darüber hinaus können Mikrofone für Diskussionsrunden oder Chöre Filterung verursachen. Das Problem kann sogar beim Einsatz von Kopfbügelmikrofonen auf der Bühne auftreten - die Stimmen zweier Darsteller*innen, die nah beieinander stehen, können von beiden Mikrofonen aufgenommen werden.
Vermeidung von Kammfilterung
Wenn das Problem durch reflektierende Oberflächen hervorgerufen wird, kannst Du diesen Reflektor entfernen. Manchmal reicht es schon, das reflektierende Element zu drehen / zu verschieben und die Reflexionen somit umzulenken. Darüber hinaus kann auch absorbierendes Material auf der reflektierenden Oberfläche helfen.
In einigen Fällen ist es möglich, das Mikrofon so nah an die reflektierende Oberfläche zu bringen, dass es keine Verzögerung zwischen dem Direktschall und dem reflektierten Schall gibt. Im oben erwähnten Beispiel einer Person, die beim Sprechen aus dem Fenster schaut oder im Auto sitzt ist es manchmal besser, das Mikrofon auf dem Fensterglas oder der Windschutzscheibe zu platzieren. Auf diese Weise wird es zu einem Grenzflächenmikrofon.
Wenn mehrere aktive Mikrofone Kammfilterung verursachen, gibt es eine (goldene) Regel: Dämpfe den verzögerten Sound, der von einem Mikrofon aufgenommen wird, um mindestens 10 dB, um die Probleme mit Kammfilterung zu minimieren.
Die 3:1-Regel
Wie bereits erwähnt, wird die gleiche Schallquelle oft von mehr als einem Mikrofon aufgenommen, wenn mehrere Mikrofone gleichzeitig im Einsatz sind.
In diesem Fall kommt der Abstand zwischen der Schallquelle und den Mikrofonen ins Spiel. Die goldene Regel lautet, dass ein benachbartes Mikrofon mindestens drei Mal so weit entfernt sein sollte (bei gleicher Empfindlichkeit und gleichen Gain-Einstellungen).
(20 *log (1/3) ≈ -10 dB).
Wenn zwei oder mehr Mikrofone in gleichem Abstand angeordnet werden, sollte der Abstand zwischen Schallquelle und benachbarten Mikrofonen theoretisch 4,5:1 betragen (wiederum bei gleicher Empfindlichkeit und identischen Gain-Einstellungen).
Bei direktionalen Mikrofonen kommt die Richtwirkung mit ins Spiel. In diesem Fall ist ein Abstandsfaktor von 3 üblicherweise ausreichend, auch bei zwei benachbarten Mikrofonen. Wende dann die Regel wie folgt an: Der Abstand der benachbarten Mikrofone sollte mindestens dem dreifachen Abstand zum primären (nächsten) Mikrofon entsprechen.
Wie bereits erwähnt spielen die Empfindlichkeit und die Verstärkung der individuellen Mikrofone eine Rolle. Wenn ein Mikrofon eine höhere Verstärkung aufweist als die anderen Mikrofone, wird es auch mehr entfernte Schallanteile aufgreifen.
Wie Kammfilterung klingt
Die Datei enthält eine männliche Stimme, die ursprünglich in Mono aufgezeichnet wurde. Das Signal wurde mit sich selbst zum gleichen Pegel überlagert und um 0 ms, 1 ms, 10 ms, 20 ms, 50 ms und 100 ms verzögert.
Beachte, dass der Ton sauber und schön definiert ist, solange der überlagerte Ton nicht verzögert wird. Schon bei einem Delay von 1 ms färbt sich das Timbre des Tons. Eine Erhöhung des Delays lassen die Stimme roboterhaft erscheinen. Bei einer Verzögerung von 50 ms beginnt das Ohr, den verzögerten Soudn als Echo wahrzunehmen, was bei 100 ms noch deutlicher wird.
Die Datei enthält eine männliche Stimme, die ursprünglich in Mono aufgezeichnet wurde. Das Signal wurde mit sich selbst bei gedämpftem Pegel (5 dB Dämpfung) überlagert und um 0 ms, 1 ms, 10 ms, 20 ms, 50 ms und 100 ms verzögert.
Die Färbung der Verzögerung um 1 ms ist nun weniger deutlich. Bei erhöhter Verzögerung tritt der Effekt aber immer noch sehr deutlich in Erscheinung.
Die Datei enthält eine männliche Stimme, die ursprünglich in Mono aufgezeichnet wurde. Das Signal wurde mit sich selbst bei gedämpftem Pegel (10 dB Dämpfung) überlagert und um 0 ms, 1 ms, 10 ms, 20 ms, 50 ms und 100 ms verzögert. Beachte, dass die 3:1-Regel eine Reduktion um 10 dB erzeugt bei einem dreimal so weit entfernten Mikrofon.
Die Färbung der Verzögerung um 1 ms ist fast nicht feststellbar. Bei erhöhter Verzögerung ist der Effekt aber immer noch wahrnehmbar.
Die Datei enthält eine männliche Stimme, die ursprünglich in Mono aufgezeichnet wurde. Das Signal wurde mit sich selbst bei gedämpftem Pegel (15 dB Dämpfung) überlagert und um 0 ms, 1 ms, 10 ms, 20 ms, 50 ms und 100 ms verzögert. Beachte, dass die 3:1-Regel eine Reduktion um 10 dB erzeugt bei einem dreimal so weit entfernten Mikrofon.
Die Färbung der Verzögerung um 1 ms ist nicht hörbar. Selbst die Verzögerungen von 10 ms und 20 ms sind nahezu unhörbar. Mit erhöhter Verzögerung von 50 und 100 ms kann der Effekt immer noch deutlich wahrgenommen werden.
Allgemeine Regeln aus der Psychoakustik
Wir wissen von zahlreichen psychoakustischen Studien, dass verzögerter Schall, der innerhalb der ersten 15 ms nach dem Direktschall ankommt (beispielsweise als Reflexion oder bei Aufnahmen mit zwei Mikrofonen auf einem Kanal) um 15 dB gedämpft sein sollte. Eine andere Regel (von einer anderen Studie) besagt, dass alle Reflexionen innerhalb der ersten 20 ms um mindestens 20 dB gedämpft sein sollten.
Warum wir bei der üblichen Mikrofonierungstechnik nur eine Dämpfung von 10 dB verwenden liegt an der Tatsache, dass oft andere Klänge die Färbung hinreichend maskieren, insbesondere in Beschallungsumgebung.
Verzögerung nach der 3:1-Regel
In dem folgenden Diagramm ist die Verzögerung zwischen zwei Mikrofonen dargestellt, wenn eins davon den dreifachen Abstand im Vergleich zum nächststehenden Mikrofon hat (nach der 3:1-Regel). Die Berechnung basiert auf normaler Raumtemperatur (20°C).
Wie dieses Diagramm anzuwenden ist:
Ermittle den Abstand des nächsten Mikrofons zur Schallquelle und lies es auf der -Achse ab
Gehe von diesem Punkt aus vertikal nach oben, bis Du auf die Kurfe triffst (blau, wenn Du cm verwendest, rot bei in / Zoll). Nun kannst Du den korrespondierenden Wert an der Y-Achse ablesen, um die passende Verzögerung zu ermitteln.
Beispiel: Der Abstand des nächststehenden Mikrofons beträgt 100 cm (also ist der Abstand des zweiten Mikrofons 300 cm). Die blaue Kurve entspricht bei 100 cm einer Verzögerung von 6 ms.
Referenzen
Hass, H: Über den Einfluss eines Einfachechos auf die Hörsamkeit von Sprache. Acoustica. (1951).
Brixen, Eddy B.: Audio Metering. Focal Press 2010, ISBN 13: 9780240814674.
Brixen, Eddy B.; Voetmann, Jan: Electroacústica Práctica. Editorial Tebar. ISBN 978-84-7360-482-6, 2013. ISBN 978-84-7360-625-7, 2018.